Die Pizza-Massage ist viel wichtiger als die Behinderung

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Von Jürgen Wolter SICKINGMÜHLE. „Wir wollen die Pizza-Massage!“ – Acht Kinder des Mühlenkindergartens liegen und sitzen im Kreis um Erzieherin Nadine Hanus. Die liegenden bekommen Schinken, Salami und Thunfisch auf den Rücken, in Form von Massagen. Dass unter ihnen zwei Kinder mit Behinderungen sind, fällt gar nicht auf. –
Immer donnerstags wandert Nadine Hanus mit einer kleinen Gruppe von Kindern ins Gemeindezentrum der Gemeinde St Franziskus in Sickingmühle. Die Kinder wechseln regelmäßig, nur zwei sind immer dabei: die Zwillinge Simon und Marla, beide leben mit ihren Behinderungen.
Nadine Hanus ist als Integrationskraft im Mühlenkindergarten angestellt und betreut in 27 Stunden pro Woche insbesondere die beiden ihr anvertrauten Kinder. Bis vor einem Jahr befand sich der Kindergarten noch in der Trägerschaft der katholischen Kirchengemeinde, heute wird er von einer Elterninitiative betrieben und ist Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.
Bei den Bewegungsspielen fördert Nadine Hanus nicht nur die Bewegungsabläufe der Kinder, sie schult auch ihre Sinne. Mit verbunden Augen etwa müssen alle nacheinander dem Klang einer Rassel und einer Trommel folgen. Manche Kinder schlagen erst einmal verwirrt die völlig falsche Richtung ein. Nicht so Simon: Schon nach kurzem Lauschen spaziert er mit zielstrebig auf die Erzieherin und den Instrumentenklang zu. „Das ist manchmal verblüffend“, sagt die Integrationskraft, „denn Simon hat sowohl eine körperliche als auch eine geistige Behinderung.“
Sie hat ein besonderes Augenmerk auf ihre beiden Schützlinge, aber sie bevorzugt sie nicht. „Wenn sie an das Klettergerüst wollen, helfe ich ihnen, weil sie es nicht allein schaffen. Aber wenn sie zu faul sind sich Spielzeug selbst zu holen, dann kann ich leider nichts für sie tun.“ Die anderen Kinder haben Simon und Marla völlig selbstverständlich in ihre Mitte aufgenommen. „Sie unterstützen sie, wenn sie etwas nicht allein schaffen“.
Ob ein behindertes Kind für eine integrative Kindergartengruppe geeignet ist – diese Überlegung steht oft am Anfang der Gespräche mit den Eltern. „Mehrfach oder schwerstbehinderte Kinder sind sicher in einer heilpädagogischen Fördereinrichtung besser aufgehoben“, sagt Nadine Hanus.
Sie hält Kontakt zu behandelnden Ärzten, zur Frühförderstelle, zu Ergotherapeuten und natürlich insbesondere zu den Eltern ihrer Schützlinge, bildet sich über Lektüre und einen Arbeitskreis in Dortmund weiter. Und sie bedauert, dass es in Nordrhein-Westfalen nur wenig Weiterbildungsmöglichkeiten für Integrationskräfte bei freien Kindergartenträgern gibt. „Hier könnte noch mehr getan werden“, findet die Erzieherin.